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Rechte Einflüsse auf die Postwachstumsbewegung

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In Deutschland galten Naturschutz, Umweltschutz, alternative Wirtschaftsprojekte und Wachstumskritik lange als Domänen der politischen Linken. Gegen diese Selbstverständlichkeit kämpfen extrem rechte Akteur*innen systematisch vermehrt an. Große Naturschutzverbände wie der Naturschutzbund (NABU) und der Deutsche Naturschutzring (DNR) haben auf rechte Vereinnahmungsversuche hingewiesen und sich dagegen positioniert. Auch die Postwachstumsszene positionierte sich und thematisierte eine prinzipielle Gefahr der Vereinnahmung ihrer Anliegen, wie exemplarisch bei Eversberg (2018) oder Schmelzer / Vetter (2019) nachzulesen ist.

Derartige Publikationen, Stellungnahmen und Fortbildungen in den eigenen Strukturen können als Reaktion auf eine verstärkte Wahrnehmung rechter Aktivitäten verstanden werden. Das sollte allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass diese Formen rechter Aktivitäten nicht neu sind. Die heutige extreme Rechte beruft sich in ihrer Argumentation auf die historischen Wurzeln des deutschen Naturschutzes, welcher in großen Teilen völkisch ausgerichteter „Heimatschutz“ war und die spätere Blut und Boden-Ideologie der Nazis mit beeinflusst hat. Auch spätere prominente Wegbereiter*innen ökologischen Denkens wie Herbert Gruhl oder Konrad Lorenz stehen in dieser rechten Traditionslinie.

Postwachstum und die Neue Rechte

Die Neue Rechte findet ideologische und historische Anknüpfungspunkte im Postwachstumsdiskurs. Exemplarisch dafür steht die seit 2020 erscheinende neurechte Naturschutzzeitschrift „Die Kehre“, die ökologische Themen von rechts besetzen möchte. Der Chefredakteur Jonas Schick (2021) warnt in seiner bewunderten Auseinandersetzung mit Herbert Gruhl vor einer vermeintlichen Überbevölkerung als Hauptproblem für ökologische Anliegen, was eine paternalistische und rassistische Logik offenbart. Diese Argumentation findet sich auch bei Felix Menzel, Chefredakteur der Zeitschrift „Recherche D“, der in seinen „Sieben Thesen für eine konservativ-ökologische Wende“ ebenfalls vor dieser vermeintlichen Überbevölkerung warnt und sichere Grenzen als beste Umweltpolitik bezeichnet. Zusätzlich lassen sich in der „Kehre“ immer wieder deutlich positive Bezugnahmen auf bekanntere Autoren wie Richard Heinberg, Serge Latouche, Niko Paech oder Rob Hopkins finden, was die selbstkritische Frage nach sich ziehen sollte, ob und wo sich in den Werken Anknüpfungspunkte für völkisches Denken finden und wie dem zu begegnen ist.

Felix Menzel (2015/2016a/2016b) hat außerdem eine Serie zu Wachstumskritik für das neurechte Theorieorgan „Sezession“ verfasst und positive Besprechungen von Autoren wie Tim Jackson veröffentlicht. Themen wie Schwundgeld und Transition-Towns werden von neurechten Netzwerken aufgegriffen, wobei häufig struktureller Antisemitismus mitschwingt.

Ein zentrales Element rechter Ökologiekonzepte ist die Überbetonung des Regionalen. Der Kauf regionaler Produkte wird als „patriotischer Akt“ (Recherche Dresden 2019) dargestellt, um regionale und nationale Identitäten zu stärken. Diese Argumentation steht im Gegensatz zu einer demokratischen Postwachstumsperspektive bzw. Degrowth, die globales Denken und lokales Handeln betont. Neben den genannten deutschen Autoren spielt auch Alain de Benoist, eine zentrale Figur der französischen Nouvelle Droite, eine wichtige Rolle für die metapolitische Diskursverschiebung in der ökologischen Wachstumskritik. Er hat mit seinen Werken „Abschied vom Wachstum“ und „Nach dem Wachstum“ das Thema Postwachstum auf rechts gedreht und den Grundstein für die Debatten auch insbesondere in Deutschland gelegt.

Gefahren und Perspektiven

Die ideologischen Schnittmengen zwischen rechter Ideologie und unreflektierten Postwachstumsansätzen bergen die Gefahr der Vereinnahmung. Diese kann jedoch durch Sensibilisierung und Reflexionsprozesse verringert werden. In der deutschen Postwachstumsbewegung wird seit einigen Jahren über die Abgrenzung von rechten Vereinnahmungsversuchen diskutiert. Autor*innen wie Viola Nordsieck, Marius Hasenheit, Dennis Eversberg, Matthias Schmelzer und Andrea Vetter haben verschiedene vielversprechende Handlungsoptionen vorgeschlagen.

Erfolgsversprechend scheinen neben Reflexionsprozessen über die Anknüpfungspunkte von menschenfeindlichen Akteur/innen die Betonung von den Punkten, an denen die Unterschiede deutlich werden. Da wäre zum einen der Fokus auf globale Perspektiven zu nennen, die sich durch dekoloniale, emanzipatorische und solidarische Entwürfe auszeichnen. Zum anderen sollte der Anspruch ökonomischer Analysen und Konzeptentwicklung ohne Personalisierungen und Schuldzuweisungen auskommen, wenn es eigentlich um systemimmanente Funktionsweisen des Kapitalismus geht. Durch die Schaffung eines Bewusstseins für offen oder verdeckt mitschwingenden Antisemitismus bei manchen personalisierten Kritiken können diskriminierende und antisemitische Äußerungen abgebaut werden. Zusätzlich lohnt sich ein kritischer Blick auf Klassenfragen bei der Umsetzung praktischer alternativer Projekte und den Anspruch von Inklusivität auch hierbei greifbar zu machen. Ebenso greifbar sollten die möglichen Folgen der Einführung einer Postwachstumsökonomie im Hinblick auf globale wirtschaftliche Auswirkungen und Migrationsbewegungen offen und mit der Betonung auf die universellen Menschenrechte stets mitdiskutiert werden. Das widerspricht dem rechten Ideal eines Rückzugs auf die eigene abgeschottete Scholle am deutlichsten.

Hinweis: Der Text ist eine gekürzte Fassung von: Passeick, Y. (2023). Wie die Neue Rechte versucht, Einfluss auf die deutsche Postwachstumsbewegung zu nehmen. Ökologisches Wirtschaften – Fachzeitschrift38(O1), 16–18.

 

Literatur und Quellen:

Eversberg, D. (2018): „Gefährliches Werben. Über Anschlussfähigkeiten der Postwachstumsdebatte gegenüber dem autoritären Nationalismus – und was sich dagegen tun lässt“. In: „Forschungsjournal Soziale Bewegungen“ 31. Jg./H 4: 52–61.

Menzel, F. (2015): „Wachstumskritik (V): Überbevölkerung, Reichtum und Technologie“. Im Internet unter: https://sezession.de/51724/wachstumskritik-v-ueberbevoelkerung-reichtum-und-technologie *HINWEIS: Diese Quelle beinhaltet rechtsextreme Inhalte, sie soll lediglich der kritischen Auseinandersetzung mit dem Thema dienen und ihre Standpunkte werden weder vom Autor des Artikels, noch von der Redaktion geteilt!*

Menzel, F. (2016a): „Wachstumskritik (X): Die Aussteiger“. Im Internet unter: https://sezession.de/54827/wachstumskritik-x-die-aussteiger *HINWEIS: Diese Quelle beinhaltet rechtsextreme Inhalte, sie soll lediglich der kritischen Auseinandersetzung mit dem Thema dienen und ihre Standpunkte werden weder vom Autor des Artikels, noch von der Redaktion geteilt!*

Menzel, F. (2016b): „Wachstumskritik (XI): Schwundgeld“. Im Internet unter: https://sezession.de/55826/wachstumskritik-xi-schwundgeld *HINWEIS: Diese Quelle beinhaltet rechtsextreme Inhalte, sie soll lediglich der kritischen Auseinandersetzung mit dem Thema dienen und ihre Standpunkte werden weder vom Autor des Artikels, noch von der Redaktion geteilt!*

Nordsieck, V./Hasenheit, M. (2019): Inklusiv oder exklusiv? Die Postwachstumsbewegung zwischen Elite und Ideal. In: FARN (Hrsg.) Aspekte Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit im Natur- und Umweltschutz. Eine Diskussion, Berlin, Eigenverlag.

Recherche Dresden (2019): Sieben Thesen für eine konservativ-ökologische Wende. Im Internet unter: https://recherche-dresden.de/sieben-thesen-fuer-eine-konservativ-oekologische-wende/ *HINWEIS: Diese Quelle beinhaltet rechtsextreme Inhalte, sie soll lediglich der kritischen Auseinandersetzung mit dem Thema dienen und ihre Standpunkte werden weder vom Autor des Artikels, noch von der Redaktion geteilt!*

Schmelzer, M./Vetter, A. (2019): Degrowth/Postwachstum zur Einführung, Hamburg, Junius.

Schick, J. (2021): Ein Planet wird geplündert – Postwachstum bei Herbert Gruhl. In: Die Kehre. Zeitschrift für Naturschutz. Heft 7, Dresden: Oikos Verlag: 30-38. *HINWEIS: Diese Quelle beinhaltet rechtsextreme Inhalte, sie soll lediglich der kritischen Auseinandersetzung mit dem Thema dienen und ihre Standpunkte werden weder vom Autor des Artikels, noch von der Redaktion geteilt!*

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