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Warum wir die Klimakrise nicht innerhalb des bestehenden Geldsystems lösen können

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Unser aktuelles, auf Gewinnstreben und der Übernutzung natürlicher Ressourcen basierendes, Wirtschaftsmodell steht im Widerspruch zu unseren Bemühungen, die Klimakrise zu bewältigen. Angela und Jens Hanson schlagen daher eine zusätzliche, vom aktuellen Geldsystem entkoppelte Klimawährung vor, die einen Emissionshandel auf Bürger*innenebene ermöglicht.

Die vereinfachte Gleichung “Geld = Konsum = Emissionen” verdeutlicht nicht nur die allgegenwärtige Klima- und Emissionsungerechtigkeit zwischen Arm und Reich, sondern beschreibt auch die untrennbare Verbindung zwischen Vermögen und klimaschädlichen Emissionen. Solange unsere Konsumgüter nicht generell klimaneutral produziert werden, bleibt dieses Problem bestehen. Selbst höhere Preise im Kampf gegen den Klimawandel sind oft nicht ausreichend. Denn eingespartes Geld durch Einschränkung oder Verzicht bzw. effizientere Technologien an der einen Stelle, wird häufig an anderer Stelle wieder ausgegeben, z. B. für einen zusätzlichen Urlaub – ein Phänomen, das als “Rebound-Effekt” bekannt ist. Zusätzlich belastet der Aufschlag der CO2-Bepreisung einkommensschwache Haushalte unverhältnismäßig, weshalb dieses Instrument zur Emissionsreduktion von vielen zurecht als unsozial kritisiert wird. Auch deshalb ist es unerlässlich wirksamen Klimaschutz, bzw. unsere konsumbedingten Emissionen vom Geldsystem abzukoppeln. Überdies ist unser herkömmliches Zahlungsmittel allein kaum dazu geeignet die Belastung der Ökosysteme durch unseren Konsum transparent abzubilden. Denn in unserer modernen Konsumgesellschaft gibt es viele Produkte, die zwar ökonomisch günstig hergestellt werden und daher billig verkauft werden können, doch oft ist dies mit hohen ökologischen Kosten für die Umwelt verbunden. Zusätzlich verhindert der im Produktpreis enthaltene CO2-Preisaufschlag eine wünschenswerte Transparenz, denn dieser geht nahezu gänzlich im Gesamtpreis unter. Das erschwert es den Verbraucher*innen, sich bewusst für klimafreundliche Alternativen entscheiden zu können.

Die angeführten Argumente zeigen, dass die Verwendung gebräuchlichen Geldes zur Lösung der Klimakrise deutliche Nachteile birgt. Dennoch basieren die klimapolitischen Maßnahmen der Regierung größtenteils auf diesem Prinzip. Die aktuelle Stellungnahme vom 03.06.2024 „Gutachten zur Prüfung der Treibhausgas-Projektionsdaten 2024“ des Expertenrats für Klimafragen bestätigt „dass […] nicht von einer Zielerreichung ausgegangen werden kann“. Das lässt den Schluss zu, dass der Europäische Zertifikatehandel und Verteuerungen durch eine CO2-Bepreisung nicht ausreichen, um die notwendige Emissionsreduktion zu erzielen und den vereinbarten Emissionsminderungspfad einzuhalten.

Eine vielversprechende Lösung könnte die Einführung einer  Klimawährung sein, die parallel zum bestehenden Geldsystem etabliert wird. Sie dient als CO2-Äquivalent und könnte sowohl den Zertifikatehandel für die Industrie, als auch die CO2-Bepreisung ablösen. Die NGO für nachhaltige Ökonomie SaveClimate.Earth hat das Prinzip des Personal Carbon Tradings zugrunde gelegt und zu einem Konzept weiterentwickelt, das initial auf EU-Ebene eingeführt werden könnte.

Durch die Klimawährung ECO (siehe www.saveclimate.earth) könnte allen Bürger*innen ein ökologisches Grundeinkommen in gleicher Höhe zur Verfügung gestellt werden. Diese Gleichverteilung halten wie für ethisch geboten. Es dient als persönliches Emissionsbudget um damit den individuellen fossilen Konsum zu bezahlen. Auch renommierte Wissenschaftler*innen wie z. B. Professor Dr. Dr. H.-J. Schellnhuber sprechen sich für diesen Ansatz aus: „Das Konzept der Klimawährung ECO ist überzeugend und könnte ein neues ökonomisches Denken zur Bewältigung der Klimakrise anstoßen. Die generelle Idee des Persönlichen Kohlenstoffbudgets ist zudem ein gesellschaftspolitisch fortschrittlicher Ansatz, weil es das Individuum zum entscheidenden Akteur im globalen Geschehen macht“ (siehe www.saveclimate.earth).

Denn die persönlichen CO2-Budgets definieren die ökologischen Leitplanken, innerhalb derer wir alle selbst entscheiden können, WIE wir Klimaschutz in unser Leben integrieren – und nicht ob. Die Klimaschädlichkeit aller Dinge wäre vergleichbar, da die ECO-Währung ebenso als zusätzliches Klimapreisschild dient, das den CO2-Fußabdruck transparent, detailscharf und manipulationssicher abbildet.

Dieses Modell ermöglicht somit ein konsequent verursacherbasiertes System auf Konsument*innenebene mit dem ein vereinbarter Emissionsminderungspfad garantiert eingehalten werden kann. Jeglicher individuelle fossile Konsum wird, statt mit Geld, über das eigene Emissionsbudget abgerechnet. Auf diese Weise wird Klimaschutz vom Geldsystem entkoppelt, und die systemimmanente Verflechtung zwischen Staat und Industrie aufgehoben. Durch das veränderte Kaufverhalten der großen Menge an Verbraucher*innen wird der notwendige Veränderungsdruck auf die Wirtschaft aufgebaut ihre Produktionsprozesse intrinsisch motiviert zu defossilisieren – hin zu deutlich mehr grünen Alternativen für die Konsument*innen. Denn die Industrie produziert das, was die Bürger*innen mit ihren begrenzten Budgets kaufen (können). Ein solches System entbindet die Politik davon kleinteilige und oft unpopuläre Maßnahmen zu erlassen, umzusetzen und kontrollieren zu müssen. Stattdessen wird das Steuerungspotential für Klimaschutz auf die Konsument*innen übertragen.

Die persönlichen Emissionskontingente können zudem gehandelt und gegen Geld verkauft werden. Davon profitieren vor allem einkommensschwächere Haushalte und Bürger*innen ärmerer Länder, die meist weniger klimaschädlich konsumieren. Durch die Möglichkeit des Handelns wird jedoch das noch verbleibende Gesamtemissionsbudget nicht überschritten, denn es kann nur hinzugekauft werden, wenn an anderer Stelle das persönliche Budget nicht vollständig ausgeschöpft wurde und zum Verkauf angeboten wird. Anders als im heutigen System findet somit ein direkter finanzieller Ausgleich zwischen Vielverbraucher*innen und Geringemittent*innen statt. Auf diese Weise könnte ein Emissionshandel auf Bürger*innenebene auch zur Verringerung der Wohlstandsschere beitragen.

Die Möglichkeit des Zukaufs mag man eventuell als ungerecht empfinden, jedoch sollte man folgendes bedenken: Im gegenwärtigen System, das vorwiegend auf Verteuerung des klimaschädlichen Konsums basiert, können Wohlhabende nahezu ohne Limit ihrem fossilen Überkonsum nachgehen – es fehlt das Cap (Obergrenze an Emissionen).

An dieser Stelle bietet das Modell des ECO deutliche Vorteile:

  • es berücksichtigt zuverlässig die Obergrenze an Emissionen
  • sorgt für einen sozialen Ausgleich
  • und bezieht die Lebensrealität Wohlhabender mit ein.

Denn unser Wirtschaftssystem ermöglicht das Phänomen des Überreichtums. Der damit verbundene Überkonsum (im Sinne von Konsum außerhalb planetarer Grenzen) ist mit einem deutlich überproportionalen CO2-Fußabdruck verbunden. Ein gut funktionierendes Treibhausgas-Kontingentierungssystem muss dazu in der Lage sein die Lebensrealität auch dieser Menschen abzubilden, ansonsten ist es kaum umsetzbar.

Mit der Klimawährung ECO stellt SaveClimate.Earth einen Lösungsansatz zur Diskussion, der sowohl ökologische als auch soziale Aspekte berücksichtigt, um eine nachhaltige Zukunft zu gestalten und eine zuverlässige Emissionsreduktion zu ermöglichen.

 

Weitere Information zu SaveClimate.Earth und zur Klimawährung ECO:
heylink.me/SaveClimate.Earth
Das Buch „Exit-Strategie Klimawährung ECO, mit persönlichen Emissionsbudgets das Klimaziel erreichen“ ist im oekom Verlag erschienen (2023). Die E-Book Ausgabe steht kostenlos zur Verfügung (https://www.oekom.de/buch/exit-strategie-klimawaehrung-eco-9783987260131).

4 Kommentare

  1. Dag Schulze sagt am 16. August 2024

    Die Gleichverteilung von CO2-Emissionsanrechten in Form einer Klimawährung ECO an alle Menschen, die diese dann für ihren Konsum verwenden müssen und untereinander handeln können, ist eine gute Idee. Denn durch die Begrenzung dieser Emissionsanrechte könnte sichergestellt werden, dass die CO2-Emissionen wirklich sinken und die Umstellung von fossilen zu erneuerbaren Energien beschleunigt wird. Allerdings greift dieses System zu kurz, da es nur eines, wenn auch ein sehr drängendes, der vielfältigen ökologischen Probleme adressiert, die unsere derzeitige Wirtschaftsordnung erzeugt. Der eigentlichen Ursache, nämlich der Profitabhängigkeit des globalen Wirtschaftssystems, wird damit nur auf einem kleinen Teilbereich entgegengewirkt.

    Nicht nur die ökologischen auch die sozialen Probleme, wie die krasse Ungleichverteilung von Einkommen und Vermögen bis hin zur Hungerkrise in Teilen der Welt, zeigen täglich überdeutlich, dass die „Systemfrage“ gestellt und beantwortet werden muss, wenn wir ein gutes Leben für alle ermöglichen wollen. Dafür ist ein Blick auf die Grundlagen des Systems erforderlich. Die heutige Wirtschaftsordnung fußt auf der Sozialpraktik des Kaufens. Dabei werden zwischen jeweils zwei Personen, die natürlich oder juristisch, also Menschen oder Unternehmen, sein können, Individualeigentumsübergänge bewerteter bzw. bepreister Güter gegen Geldzahlungen vollzogen.

    Wichtige Charakteristiken des Kaufens lassen sich an Hand seiner Struktur leicht erkennen: Erfordernis von Individualeigentum und dessen Bewertung bzw. Bepreisung, Trennung bzw. Vereinzelung der Akteur*innen, Wettbewerb zwischen den Akteur*innen, damit sich Preisobergrenzen bilden können. Durch die zentrale Rolle des Geldes innerhalb dieser Sozialpraktik stellt sich automatisch eine (monetäre) Profitorientierung ein: Kaufende möchten einen möglichst kleinen Preis bezahlen und Verkaufende einen möglichst hohen Gewinn erzielen.

    Aus der im Kaufen angelegten (monetären) Profitorientierung wird eine systemische Profitabhängigkeit oder gar ein Profitzwang, wenn, wie in unserer heutigen Wirtschaftsordnung üblich, praktiziert wird, dass Akteur*innen, die über längere Zeiträume keine (monetären) Profite machen, aus dem wirtschaftlichen Austausch ausgeschlossen werden, also ihre wirtschaftliche Existenz verlieren.

    Die Produzierenden müssen in unserer Wirtschaftsordnung Profite machen, wenn sie (wirtschaftlich) überleben wollen. Dadurch wird nur produziert, was auch Profit verspricht. Nichtprofitable Güter werden den Konsumierenden in der Regel erst gar nicht angeboten. Dadurch kann ich mir heute beispielsweise keine vergleichsweise ökologische Solarluftschifffahrtsreise von Frankfurt nach New York kaufen. Auch wenn auf der Seite der Konsumierenden die Bedürfnisorientierung eine größere Rolle als bei den Produzierenden spielt, wird sie auch bei ihnen von monetären Erwägungen überlagert.

    Die Ausbeutung von Menschen und Natur sowie Wachstum sind in einem profitabhängigen Wirtschaftssystem unvermeidbar. Wie können wir nun von einem profitabhängigen zu einem bedürfnisorientierten, herrschaftsfreien und wachstumsunabhängigen Wirtschaften gelangen? Offenbar dadurch, dass wir die Sozialpraktik des Kaufens aufgeben oder zumindest deutlich weniger anwenden. Welche anderen Praktiken stehen uns denn alternativ zur Verfügung? Wir könnten auch tauschen, schenken oder beteilen. Insbesondere das Beteilen (kurz für: Beteiligen & Teilen) erscheint, vielversprechend zu sein (siehe auch: https://www.beteilen.de). Dabei baut eine Gruppe von Menschen einen gemeinsamen Vorrat auf, der anschließend unter diesen Menschen aufgeteilt wird.

    Charakteristiken des Beteilens sind Gemeinschaftseigentum, Gemeinschaftlichkeit, Kooperation und Verbindung von Produktion und Konsum. Da diese Sozialpraktik kein Individualeigentum und Geld benötigt, kann mit ihr eine profitfreie und rein bedürfnisorientierte Wirtschaftsordnung realisiert werden.

    Bisher kennen wir die Praktik des Beteilens aus unseren Familien oder Wohngemeinschaften sowie von Gemeinschaftsbuffets auf Festen. Es ist vermutlich die älteste Wirtschaftspraktik. Sie wurde schon in der Steinzeit innerhalb von Stämmen und Horden auf verschiedene Arten und Weisen angewendet. Heute wird sie auch innerhalb von Gruppen angewendet, in denen sich die Menschen nicht nahe stehen, wie in Solidarischen Landwirtschaften und beim gemeinschaftsgetragenen Wirtschaften. Dort wird Beteilen in unterschiedlichem Maße auch noch mit Geld und Individualeigentum praktiziert. Diese Praktiken können als Übergangsform von unserer heutigen zu einer zukünftigen Wirtschaftsordnung aufgefasst werden.

    Das Beteilen ist allerdings prinzipiell nicht aufs Wirtschaften innerhalb kleiner Gruppen beschränkt. Ein auf dem Beteilen basierendes Wirtschaftssystem kann auch durch Vernetzung vieler kleinerer Gruppen aufgebaut werden. Eine derartige (fraktale) Struktur hat den großen Vorteil, dass die kleinen Gruppen autonom entscheiden können, wie sie sich innerhalb ihrer Gruppe genau beteilen und in Verbindung zu anderen Gruppen treten. Ein herrschaftsfreies und bedürfnisorientiertes Wirtschaften wäre in einer derartigen Struktur möglich.

    Die heutigen ökologischen und sozialen Multikrisen rufen uns dazu auf, unsere sozialen Praktiken zu verändern. Es ist sehr dringend, dass wir dies erkennen und uns dahingehend austauschen, um im nächsten Schritt neu entwickelte und historische Praktiken, auch aus anderen Kulturkreisen, zu erforschen und auszuprobieren. Dabei müssen spezielle Designs gar nicht für große Menschengruppen einheitlich sein, wie es heute oft der Fall ist und auch beim ECO vorgeschlagen wird. Soziale Strukturen können von uns auch vielfältig und partizipativ gestaltet werden.

  2. Danke für den interessanten Artikel. Es wäre durchaus möglich, dass ein behördlich zugeteiltes, „persönliches Emissionsbudget“ und dazugehörige CO2-Zertifikate auf Konsumentenebene zum Klimaschutz beitragen könnten. Dazu braucht es m.E. aber keine neues „Geldsystem“ oder eine „Klimawährung“. Auch wird auf diese Weise das Problem des Gewinnstrebens, der Konjunkturkrise und des Überreichtums nicht gelöst.

    • Lieber Herr Fahrbach,

      besten Dank für Ihren Kommentar.
      Sicherlich haben Sie Recht, dass ein Emissionshandel auf Bürgerebene auch ohne eine zusätzliche Währung realisierbar wäre. Wie bereits im Artikel angesprochen, führt dies jedoch zu einigen Nachteilen, die das schnelle und effektive Reduzieren von Emissionen konterkariert. In unserem Buch beschreiben wir die Notwendigkeit, effektiven Klimaschutz vom Geldsystem zu entkoppeln, weitaus detaillierter und ausführlicher. Das E-Book steht übrigens kostenlos zum Download zur Verfügung: https://www.oekom.de/buch/exit-strategie-klimawaehrung-eco-9783987260131

      Das Problem des Überreichtums ist damit leider nicht vollumfänglich zu lösen, allerdings trägt die Tatsache, dass man den ECO handeln kann, zu einem gewissen Ausgleich und zur Verringerung der Wohlstandsschere bei. Um den Überkonsum zu eliminieren müssen wir an das kapitalistische System ran. Wir haben uns entschieden mit dem Emissionsmanagementsystem ECO zunächst die Lösung eines der zeitkritischsten Probleme unserer Zivilisation anzugehen 😉

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